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Press release (DE)

Pressemitteilung, Schweiz, 6. Oktober 2020

Lancierung der Petition gegen prekäre Anstellungsbedingungen an Schweizer Hochschulen

Forschende unter Leidensdruck

Die wissenschaftliche Qualität der Schweizer Hochschulen ist weltweit anerkannt und trägt zum exzellenten internationalen Ruf des Landes bei. So betont das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) in seinen Berichten zur Innovation wiederholt, dass die Schweiz zu den Ländern mit den meisten wissenschaftlichen Veröffentlichungen pro Einwohner gehört. Allerdings arbeitet die überwältigende Mehrheit der Forschenden, welche diese Publikationen generieren, unter immer schwierigeren Bedingungen: Mehrfach befristete Arbeitsverträge, schwierige und unsichere Arbeitsverhältnisse, zunehmende Abhängigkeit von Vorgesetzten in einem schädlichen Kontext übermässig harter Konkurrenz. Diese Prekarisierung ist für die Betroffenen und die wissenschaftliche Gemeinschaft mit einem hohen Preis verbunden: Verzicht auf Familienleben und/oder Elternschaft, tiefes Einkommen, negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit (Stress, Existenzangst, Burnout), Anfälligkeit für Mobbing und sexuelle Belästigung, sowie ein Verlust an Qualität in der wissenschaftlichen Forschung.

Die zunehmende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in der universitären Lehre und Forschung ist seit Jahren international bekannt. Sie wird sowohl in der Wissenschaft als auch in der Öffentlichkeit diskutiert und gab Anlass zu Streiks und Protesten im In- und Ausland. Anfang 2020 berichteten Schweizer Medien über die äusserst schwierige Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Schweiz. Zuvor hatte ein Bericht der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) die harte Realität im Schweizer Wissenschaftssystem aufgezeigt, in dem mit wenigen Ausnahmen nur Professorinnen und Professoren in den Genuss von Festanstellungen kommen, während 80% des wissenschaftlichen Personals mit prekären Arbeitsverhältnissen Vorlieb nehmen muss.[1] Dies entspricht über 40’000 Personen, welchen dem « Mittelbau » angehören und als Doktorierende, Postdoktorierende, Lehrbeauftragte, oder wissenschaftliche Mitarbeitende mit befristeten, zumeist Teilzeit-Verträgen angestellt sind.

Keine Lösung in Sicht

Seit Jahren versuchen verschiedene Mittelbauorganisationen, die Universitäten auf die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen hinzuweisen. Im Jahr 2018 schloss die SAGW ihren Bericht mit der Forderung, « dass an den Schweizerischen Universitäten die unbefristeten Stellen für höher qualifizierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermehrt werden. »[2] Diese Appelle verhallten ungehört. Auf politischer Ebene hat Nationalrat Fabien Fivaz in einer Interpellation vom März dieses Jahres den Bundesrat aufgefordert, über die vom Bund getroffenen Massnahmen gegen die Prekarisierung des Schweizer Mittelbaus Bericht zu erstatten.[3] In seiner mehr als enttäuschenden Antwort spielt der Bundesrat den Ball an die Hochschulen und ihre Träger zurück und weist darauf hin, dass er diese stets in ihren Bemühungen zur Nachwuchsförderung unterstützt habe.

Zwar wird die schwierige Lage der Forschenden von den zuständigen Behörden anerkannt, dennoch zeichnet sich keine Lösung für die daraus entstehenden Probleme ab. Im Gegenteil wurden diese durch die Coronakrise noch verstärkt, was die Unsicherheiten der akademischen Karriere und die prekäre Lage der Forschenden einmal mehr schonungslos offenlegt. Obwohl die Schweiz über die nächsten vier Jahre 28 Milliarden Franken in Bildung, Forschung und Innovation investieren will [4], ist keine Lösung für diesen unhaltbaren Zustand in Sicht. Die Verantwortungsträger im Schweizer Wissenschaftssystem scheinen sich bewusst oder unbewusst damit abgefunden zu haben, dass die grosse Mehrheit der Mitarbeitenden an den Hochschulen weiterhin zum Sesseltanz um unsichere Stellen gezwungen ist, mit allen damit verbundenen beruflichen und privaten Nachteilen.

Schweizweite Mobilisierung des Mittelbaus

Als Reaktion auf diese schädliche und inakzeptable Situation hat eine Gruppe von Schweizerischen Mittelbauorganisationen die Petition für die vermehrte Schaffung von festen Stellen für Forschende und Lehrende nach dem Doktorat lanciert. Die Unterzeichnenden rufen die Bundesversammlung dazu auf, mittels konkreter Massnahmen die Arbeitsbedingungen des Mittelbaus zu verbessern, die wissenschaftliche Qualität seiner Arbeit zu sichern, die Gesundheit der Forschenden zu schützen und ihnen ein Familienleben zu ermöglichen. Die Petition fordert einen grundsätzlichen Kurswechsel in der Anstellungspolitik und Nachwuchsförderung mit dem Ziel, zügig eine signifikante Zahl von festen Stellen zu schaffen, welche kurz nach dem Doktorat erlangt werden können. Ziel dieser Reform ist die Verstetigung der Arbeitsverhältnisse im Mittelbau durch unbefristete Arbeitsverhältnisse und die Beseitigung der strukturellen Arbeitsplatzunsicherheit, welche bis anhin für die Schweizer Hochschullandschaft charakteristisch ist. So würde den Forschenden und Lehrenden ermöglicht, auf eigenständige und nachhaltige Weise Wissen zu schaffen und weiterzugeben, kurz, unter fairen und würdigen Bedingungen ihrer Arbeit nachzugehen.

Das Petitionskommittee
www.petition-academia.ch
twitter.com/ProAcademiaCH
facebook.com/ProAcademiaCH
petitionacademia@gmail.com


[1] Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (2018).Next Generation: Für eine wirksame Nachwuchsförderung. Swiss Academics Report 13 (2), S. 15

[2] Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (2018).Next Generation: Für eine wirksame Nachwuchsförderung. Swiss Academics Report 13 (2), S. 49

[3] Interpellation eingereicht am 12. März 2020: https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20203121

[4] « Förderung von Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2021-2024 », Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI (https://www.sbfi.admin.ch/sbfi/de/home/bfi-politik/bfi-2021-2024.html)